Für Interessierte und für Kendoka, die sich für die Inhalte einer Trainingseinheit bei uns im ABK 54 interessieren haben wir hier den typischen Ablauf einmal zusammengefasst. Neben dem Ablauf des Trainings findet ihr hier eine Erklärung der wichtigsten Fachbegriffe und deren historische Hintergründe.
Nachdem wir uns im Umkleideraum einen Trainingsanzug oder die traditionelle Kendo-Bekleidung Hakama (Hose) und Gi (Jacke) angezogen haben, betreten wir das Dojo, die Halle, in welcher der „Weg“ gelehrt wird ( Do= der Weg, Kendo= der Weg des Schwerts). Die Schuhe bleiben vor der Eingangstür, oder neben dem Eingang stehen. Wie die meisten japanischen Kampfsportarten wird Kendo barfuß ausgeübt. Durch ein Verbeugen (Rei) wird die Kamiza (wörtlich: der Göttersitz), das ist in der Regel die Stirnseite der Halle. Im mittelalterlichen Japan hatte das den praktischen Zweck, dass ein möglicher Attentäter an allen Samurai vorbei musste um an sein Opfer, den Fürsten, zu gelangen. Es gibt eine Menge weitere Regeln, die wir hier aber nicht alle aufzählen können und wollen.
Die Ausrüstung ( Bogu, bestehend aus dem Kopfschutz Men, dem Schutz für den Rumpf Do, dem Hüftschutz Tare und den Handschuhen Kote) und das Bambusschwert Shinai wird an der Seite abgelegt. Die Kendoka legen ihre Ausrüstung so ab, dass sie für ein schnelles Anlegen bereitliegt. Das Shinai liegt dabei im eigenen Dojo auf der rechten Seite, bei Besuch eines anderen Dojo auf der linken Seite, damit man es schnell greifen kann. Die Aufstellung erfolgt nach dem Rang der Kendoka, der Kämpfer mit der höchsten Graduierung befindet sich in der Reihe rechts. Als Gast in einem fremden Dojo kennt man in der Regel die Rangfolge nicht und nimmt an der linken Seite seinen Platz ein.
Das Training beginnt mit damit, dass sich die Teilnehmer so aufstellen, dass sie genügend Bewegungsfreiheit haben. Das Shinai trägt man in der linken Hand mit dem Griff nach vorn. Auf das Kommando „Rei!“ verbeugt man sich gegeneinander. Mit einer halbkreisförmigen Bewegung deutet man das Ziehen des Schwertes an und hält es mit beiden Händen ( die Linke ist die Schlaghand, während man mit der Rechten die Richtung des Schlages steuert) in der mittleren Bereitschaftsstellung Chudan no kamae. Man geht nun in eine Hockstellung, Sonkyo, und legt mit der rechten Hand das Shinai vor das rechte Knie.
Die nun folgenden Übungen dienen der Lockerung und Dehnung der Sehnen sowie der Kräftigung der Muskelpartien. Dabei beginnt man traditionell mit den unteren Körperteilen und arbeitet sich dann nach oben. Diese Aufwärmphase sollte mindestens 10 Minuten dauern; bei älteren Teilnehmern oder bei kalter Witterung etwa 15 Minuten. Auf das Kommando Yame! ( Aufhören) werden die Übungen eingestellt.
Auf die Aufforderung „Kamae te“ geht man in die Hocke ergreift das Shinai mit beiden Händen und deutet auf das Kommando „Osame to“ in einer halbkreisförmigen Bewegung das Zurückführen des Schwertes in die Scheide an. Nach dem Aufrichten verbeugt man sich erneut. Man sieht beim Kendo geht es höflich zu.
Der folgende Übungsteil dient noch der Aufwärmarbeit, dient aber bereits der sicheren und zielgenauen Handhabung des Shinai. Wie bei den allen Budo-Sportarten gilt die japanische Regel, alle Techniken möglichst exakt nachmachen, erst nach Erreichen der Perfektion sollte man seinen eigenen Stil entwickeln. Für uns Europäer ist das zum Teil etwas gewöhnungsbedürftig.
Bei den „Suburi“ wird die Koordination der Schlag- und Fußbewegung sowie der feste Griff „Te no uchi“ trainiert. Das laute Zählen der Schläge soll Seitenstechen durch regelmäßige Atmung verhindern. Es ist auch eine Vorstufe des „Ki ai“ des Kampfschreis. Anfänger üben jetzt die Koordination von Bewegungsabläufen zum Schlag gegen die erlaubten Zielflächen Men= direkter Kopftreffer, Sayo-Men= Treffer links und rechts am Kopf, Kote = Hand und Do= Rumpf (Tsuki, der Stoß gegen die Kehle, bleibt den Fortgeschrittenen vorbehalten).
Mit der Übung Kiri Kaeshi beginnen die Partnerübungen bei denen es eine Lehrerseite (Motodachi) und eine Schülerseite (Shidachi) gibt. Durch mehrmalige Wiederholung werden die Konzentrationsfähigkeit gesteigert und die Ausdauer verbessert. Diese Übung wird von allen Rängen vor dem eigentlichen Technik- und Kampftraining durchgeführt. Nach erneutem Grüßen nimmt man den richtigen Abstand (Maai) zum Gegner ein. Danach macht man mit den Ruf Men einen Schritt vorwärts und führt einen ersten Schlag zum Kopf des Trainingspartners. Wichtig ist es, dass Fuß- und schlagbewegung sowie der Kampfschrei beim Auftreffen des Schlags beendet sein müssen. Nun folgt eine vorher festgelegte Anzahl von seitlichen Men-Schlägen, in der Regel vier in der Bewegung nach Vorn und fünf in der Rückwärtsbewegung. Beim letzten Schlag löst man sich mit einem etwas größeren Schritt vom Gegner und nimmt wieder den richtigen Abstand Maai ein. Die Übung wird nach Vorgabe des Trainers mehrmals wiederholt.
Nun folgt der Technikteil. Anfänger üben nun die Grundtechniken. Das Halten und das Bewegen mit dem Shinai ohne dabei das Angriffsziel aus den Augen zu verlieren (suburi) , den richtigen Abstand (Maai)einzunehmen, Fußarbeit (Ashi sabaki), die gebräuchlichsten Grundhaltungen Chudan no Kamae (das Shinai wird in Hüfthöhe mit erhobener Spitze gehalten; für Anfänger die wichtigste), Jodan no Kamae mit hocherhobenem Shinai und Gedan no Kamae mit gesenkter Waffe. Die weiter fortgeschrittenen Kendoka üben nun verschiedenen Techniken, die nach Ausbildungsstand im Schwierigkeitsgrad variieren. Die unteren Kyu- (Schüler-) Grade üben einfachere Angriffstechniken, die leichter zu erlernen sind als Schlagkombinationen und Kontertechniken. Das Ziel aller Übungen ist das Erlangen der Perfektion in den Techniken. Dazu benötigt man neben einen guten Konzentrationsvermögen, eine gute Kondition und ein gutes Koordinationsvermögen. Vor allem jüngeren Sportlern bereitet das Schwierigkeiten, während älteren Anfängern die ungewohnten Kombinationen von Fuß- und Schlagbewegungen zunächst schwierig vorkommen.
Die erlernten Techniken werden beim Shi- Geiko (Freies Training) geübt, dabei geht es weniger darum Treffer zu erzielen, sondern mit wechselnden Gegnern möglichst viele unterschiedliche Kombinationen zu erproben.
Das Training schließt mit einem Kampftraining (Shobu- Geiko) ab, das nach Wettkampfregeln durchgeführt wird. Hier gilt es trotz der körperlichen Ermüdung noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren und den Kampf erfolgreich zu beenden.
Zum Schluß stellen sich die Kendoka auf das Kommando „Sei Retsu!“ dem Rang nach auf. Der Kämpfer mit der höchsten Graduierung steht dabei wieder am rechten Ende der Reihe. Die Kendoka knien auf das Kommando „Chakuza!“ mit dem linken Knie beginnend nieder und legen das Shinai auf die rechte Seite (in einem fremdem Dojo aber links) ab.
Die Rüstung wird auf die Anweisung „Kote Men tore!“ hin abgelegt. Im einem traditionellen Dojo wie bei uns wischt man sich hinter vorgehaltenem Men mit dem Kopftuch den Schweiß ab, bevor alle auf das Kommando „Mukuso!“ eine kurze Entspannungsphase beginnen bis die Atmung wieder regelmäßig erfolgt (das entspricht etwa acht bis zehn Atemzügen).
Der Trainer hält nun noch eine kurze Beprechung „Mondo“ ab, bei der er die erkannten Fehler anspricht und auch gute Leistungen hervorhebt, bevor er alle mit einer letzten Verbeugung aus dem Training entlässt.